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Deutsche Bauern entdecken die Ukraine
12:35 PM
Von Claudia Ehrenstein 

Deutsche Bauern entdecken die Ukraine
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer besucht die Kornkammer Europas und fühlt sich plötzlich an seine Kindheit erinnert
Unendlich weit und fruchtbar - so ist das Land in der Ukraine. "Ein Traum, durch diese Fluren zu fahren", schwärmt Johann Wenzl. Der Landwirt aus Bayern ist vor fünf Jahren in die Ukraine gezogen. 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Kiew bewirtschaftet er fast 2500 Hektar Land. "Solche Größen gibt es in Deutschland nicht", sagt Wenzl. In dem kleinen ukrainischen Dorf Rogi baut er jetzt in großem Stil Weizen, Raps, Mais, Gerste und Zuckerrüben an. Mitten in einem Feld mit Sonnenblumen grüßt ein Plakat die Besucher auf Deutsch: "Herzlich Willkommen". Es sind Männer wie Wenzl, die mit ihrem Engagement für gute Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine stehen. Das Land mit seiner legendären Schwarzerde gilt noch immer als die Kornkammer Europas und hat in den letzten Jahren schon fast 60 deutsche Landwirte angelockt. "Wir haben mit der Agrarwirtschaft hier ein starkes Standbein", sagt Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) bei seinem Besuch in Rogi. Auch deutsche Landmaschinen sind in der Ukraine gefragt. Das ist ein Zukunftsmarkt mit "gewaltigen Chancen", sagt Seehofer.

Das Leben in Rogi ist von solchen Perspektiven noch weitgehend unberührt. Am Straßenrand hütet ein alter Mann seine Ziegen. Auf einem Strommast nistet ein Storch. Hühner und Gänse laufen im Dorf frei herum. Bis zur Oktoberrevolution 1917 herrschte hier ein polnischer Großgrundbesitzer. Später wurden die Ländereien zu einer Kolchose zusammengelegt. An die Sowjetzeiten erinnern triste Zweckbauten, die mit ihrem unverputzten Mauerwerk noch immer aussehen, als wären sie nie fertig geworden.

Das Ende des Kommunismus besiegelte auch das Ende der Kolchosen. Weite Landstriche lagen jahrelang brach. Wenzl hat die Kolchose von Rogi übernommen und gemeinsam mit seinem Sohn zu einem modernen Betrieb umgebaut. Er hat das Wohnhaus und die Werkstatt instand gesetzt, eine Trockenanlage für Getreide und ein Verladeterminal mit integrierter Waage gebaut. Aus den acht Arbeitsplätzen zu Beginn sind inzwischen 30 geworden. Mit Wenzls Unterstützung wurde auch das Gemeindezentrum von Rogi renoviert. An der Eingangstür riecht es noch immer nach frischer Farbe. Die Begrüßung in Rogi ist herzlich, und Seehofer fühlt sich an seine eigene Kindheit in einem bayerischen Dorf erinnert. Die Blaskapelle spielt, drei junge Frauen in ukrainischer Tracht überreichen dem Minister das traditionelle Festbrot, den Korowai. Die meisten Dorfbewohner aber beobachten die Zeremonie eher argwöhnisch. Von Aufbruchstimmung und Marktchancen ist in diesem Moment wenig zu spüren. Die alten Frauen mit ihren Kopftüchern und Kittelschürzen scheinen noch aus einer anderen Zeit zu stammen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Ackerland der Kolchosen an die ehemaligen Mitarbeiter verteilt. Sechs bis sieben Millionen Bauern erhielten jeweils zwei bis sechs Hektar Land. Der staatlich festgelegte Bodenwert liegt seither bei 2000 bis 3000 Dollar pro Hektar. Anfangs wechselten Parzellen manchmal nur für eine Kiste Wodka den Besitzer. So kauften einige wenige Ukrainer große Ländereien zusammen. Mit dem Getreidehandel kamen sie schnell zu Reichtum. Meist verpachten die Bauern ihr Land heute an Agrarunternehmer. Wenzl hat den Pachtzins bereits freiwillig erhöht. Doch vielen Dorfbewohnern ist das nicht genug. Als jetzt Regierungsbesuch aus Kiew nach Rogi kommt, nutzen sie die Gelegenheit, um sich bei ihrem Landwirtschaftsminister Juri Melnik zu beschweren. "Die Preise steigen schneller als der Pachtzins. Wann tut die Regierung endlich etwas?", will ein alter Mann wissen. Die Regierung von Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko - seit 18. Dezember 2007 im Amt - hat zwar angekündigt, die Grund- und Bodenfrage zügig zu klären. Doch die Anhebung der staatlich vorgeschriebenen Mindestpacht von 1,5 auf zehn Prozent des Bodenwerts lässt auf sich warten. Nach wie vor gilt ein Moratorium für den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen. Gestritten wird über Obergrenzen für den Besitz landwirtschaftlicher Flächen und Regelungen zur Umwandlung der Flächen in Bauland.

Dahinter stehen unter anderem die Interessen von großen Immobilienfirmen. Nach Einschätzung von Beobachtern wird in der Rada, dem ukrainischen Parlament, ein politischer Machtkampf um Privilegien und Privatisierungserlöse geführt. Zwei Drittel der 450 Rada-Abgeordneten sind Dollar-Millionäre, die eher ihre persönlichen Vorteile im Blick haben als die Sorgen und Nöte der Landbevölkerung in Rogi. Von den 1080 Dorfbewohnern arbeitet noch jeder zehnte in der Landwirtschaft. Die Jugend zieht es nach Kiew, 380 Frauen und Männer sind im Rentenalter.

Die Sonne brennt. Der Wind treibt die weißen Flugsamen der Pappeln wie kleine Wattewolken durch die Luft, als Seehofer das grüne Band vor dem "Deutschen Agrarzentrum" in Rogi symbolisch zerschneidet. In dem ehemaligen Ersatzteillager der Kolchose sollen künftig ukrainische Agrarfachleute aus dem ganzen Land lernen, wie sie die Äcker effizient bestellen und Hightech-Traktoren bedienen. Unterstützt wird das Projekt unter anderem von deutschen Firmen für Saatgut und Landtechnik. Noch ist der Umbau nicht abgeschlossen. Aber bald, so Seehofer, soll das Zentrum auch den Menschen in Rogi neuen Mut machen: "Seien Sie stolz auf Ihr schönes Land."

Views: 1088 | Eingetragen von: kozak | Rating: 0.0/0 |
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